In ihrem Projekt Chat(t)er Gardens. Stories by and about Filipina Workers dokumentiert Moira Zoitl die Arbeits- und Lebenssituation philippinischer Hausangestellter in Hongkong und London sowie deren politische und soziale Aktivitäten. Sie verwendet dafür unterschiedliche Recherchetechniken und Quellen wie Interviews, sozialwissenschaftliche Publikationen, Tageszeitungen, Online-Foren etc. und kombiniert in ihren Werken verschiedene Medien und Formate. So präsentiert sie das Projekt in Ausstellungen als Installationen, die Videos, Fotografien, Text, Stickereien und Skulpturen bzw. räumliche Bauten vereinen. Zusätzlich produzierte die Künstlerin im Rahmen dieses Projektes zwei Newsletter und eine Publikation.
Ausgehend von der räumlichen Situation migrantischer Haushaltshilfen rollt die Künstlerin das Thema auf. Hausangestellte befinden sich in Hongkong in einer prekären Raumsituation: Ihr Arbeits- und meistens gleichzeitig auch Wohnbereich ist im Privatraum ihrer ArbeitgeberInnen angesiedelt. Den Angestellten selbst wird darin keine oder nur wenig eigene Privatsphäre zugestanden. Daher verbringen sie ihre spärliche Freizeit im öffentlichen Raum. Sie tun dies konzentriert an bestimmten Plätzen von Hongkong – einer davon ist der Chater Garden, auf den der Titel des Projektes anspielt. Dieses massenweise Auftreten ist eine Form der Aneignung des Raumes, die Sichtbarkeiten schafft, die in einem Gegensatz zu der Position migrantischer Hausangestellter in der Öffentlichkeit stehen. Die Wechselbeziehungen zwischen der Unsichtbarkeit der Arbeitsverhältnisse und den von den ArbeitsmigrantInnen (-1-) selbst geschaffenen Sichtbarkeiten arbeitet Moira Zoitl in ihrem Projekt heraus. Sie zeigt sowohl die Arbeitsbedingungen und die eingeschränkte Lebenssituation, als auch Formen der Selbstorganisation, politische Aktionen und künstlerische Äußerungen der Betroffenen. Diese werden also nicht als Opfer ökonomischer, sozialer und politischer Strukturen dargestellt, sondern als aktiv Handelnde, die Formen entwickeln, auf diese Strukturen zu reagieren.
Handlungsspielräume
Moira Zoitl betont, dass sie in ihren Dokumentationen versucht, die Ästhetik der Ausdrucksformen, welche die Arbeitsmigrantinnen selbst entwickeln, zur Geltung zu bringen.(-2-) Das Video Babae/Women (2005; 9 min., 58 sec.) zeigt Maria Theresa Hamto, die im Zuge einer Straßenaktion ein Gedicht vorträgt, das sie gemeinsam mit Lagrimas Medina-Cunanan (unter dem Künstlernamen Rema) verfasst hatte. Dieses Gedicht thematisiert die Probleme philippinischer Hausangestellter im Ausland, es schildert die paradoxe Situation, die eigenen Kinder verlassen zu müssen und sich stattdessen um fremde Kinder zu kümmern, um die eigenen erhalten zu können. Es erzählt von sexuellem Missbrauch und von körperlichen Züchtigungen erwachsener Frauen, es prangert die demütigende Lage der Frauen an und ermutigt zu Widerstand sowie zum Kampf um ein menschenwürdiges Dasein. In Moira Zoitls Videodokumentation ist die Straße als Ort der Aufführung zu sehen, großteils konzentriert sich die Kamera aber auf die Performerin, bringt sie in Nahaufnahmen und setzt sie so ins Bild, dass die BetrachterInnen des Videos zu AdressatInnen der Performance werden. In Newsletter Nr.1 druckt Moira Zoitl dieses Gedicht in englischer Übersetzung ab. Es wird also auch die literarische Form festgehalten. Gleichzeitig bildet die Dokumentierende damit diese künstlerische Äußerung nicht nur ab, sondern stellt den Philippinerinnen ihr als Plattform konzipiertes Projekt als Publikationsforum zur Verfügung. Dabei ist Moira Zoitl nie Auftraggeberin oder Initiatorin künstlerischer Prozesse. Der Impuls geht von den Arbeitsmigrantinnen selbst aus und Hilfsorganisationen wie die Mission for Filipino Migrant Workers ermöglichen deren Veröffentlichung bzw. Aufführung im Zuge von Festen, Zusammenkünften und Demonstrationen.
Die Darstellung der Tätigkeiten dieser Organisationen nimmt im gesamten Projekt breiten Raum ein. Von den acht bisher produzierten Videos behandeln drei die Arbeit in den Hilfs- und Schutzeinrichtungen, drei zeigen das Auftreten der MigrantInnen im öffentlichen Raum, Feste sowie Demonstrationen und nur zwei Videos thematisieren eine Einzelperson. Der zweite Newsletter ist vollständig dem Bethune House Migrant Women’s Refuge gewidmet. Daran lässt sich sehr gut Moira Zoitls Art der Dokumentation erkennen: Nicht das Leiden an der Ausbeutung steht im Vordergrund, sondern Formen des Umgangs damit und Strategien der Selbstermächtigung. In dem Video Mission for Filipino Migrant Workers MFMW (2007; 4 min, 05 sec.) wird deutlich, welche Funktionen der Fokus der Darstellungen auf die Ebene der Organisationen und kollektiven Aktivitäten an Stelle der Schilderung von Einzelschicksalen hat. Während der Aufnahme dieses Videos kommt eine gerade von ihrem Arbeitgeber hinausgeworfene Hausangestellte in Tränen aufgelöst in die Mission. Moira Zoitl vermeidet den (sozial-) voyeuristischen Blick auf die Frau, indem sie diese nicht ins Bild setzt – ihre Anwesenheit wird durch die Aktionen der anderen Beteiligten offenbar. An Stelle der geschockten und verzweifelten Frau lässt Moira Zoitl die Verantwortliche der MFMW erzählen, was passiert ist. Damit wahrt die Künstlerin den Schutz der Anonymität einer Beratungsstelle und vermeidet eine Wiederholung der Demütigung dieser Frau durch eine öffentliche Zurschaustellung. Die Probleme dieser Frauen sind nicht nur rechtlicher oder finanzieller Natur, die Einschränkung der persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung, die Behandlung als verfügbare Ware durch die ArbeitgeberInnen nimmt diesen Frauen ihre Würde und Selbstachtung. In der Erzählung durch die Betroffenen selbst liegt die Gefahr, diese öffentlich bloß zu stellen, sie ihrer Würde nun auch öffentlich zu berauben. Die Bedeutung der Schutzeinrichtungen wird damit deutlich und die Erzählung von einer individuellen auf eine allgemeinere Ebene verlagert.
In der anlässlich der Ausstellung Appropriated Spaces/Eigene Orte im Kunstverein Wolfsburg 2003 entstandenen Publikation behandelt Moira Zoitl verstärkt die strukturelle Ebene und widmet der Untersuchung der Repräsentationsformen ein eigenes Kapitel. Die Künstlerin stellt ihren Dokumentationen und den Äußerungen der philippinischen Arbeitsmigrantinnen „offizielle“ Darstellungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Institutionen gegenüber. Sie zitiert den Bericht über die Lage der migrantischen Hausangestellten in Hongkong an das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen, Medienberichte aus London und Hongkong sowie anthropologische Texte. Persönliche Narrative und kreative Bewältigungsmethoden werden mit Aussagen kontrastiert, die als „offizielle“ Berichte auf Ebene des Völkerrechtes, journalistischer Texte und wissenschaftlicher Wissensproduktion eine andere Autorität und normativen Charakter haben. In der Kombination von individuellen Erzählungen mit offiziellen Darstellungen wird die gegenseitige Durchdringung dieser Ebenen ebenso deutlich wie die Kluft, die sich dazwischen auftut. Im Bereich journalistischer Berichterstattung verwendet Moira Zoitl sowohl Artikel einflussreicher Massenmedien wie der BBC und der South China Morning Post als auch der Zeitung bzw. des Newsletters der MigrantInnenorganisation. Die Künstlerin beleuchtet also die Veröffentlichungen beider Seiten, der Mehrheitsgesellschaft und der Marginalisierten, wobei die Unterschiede und Spezifika in der Darstellungsweise, der Themenwahl und der Zielgruppe deutlich werden. Die Verwendung der verschiedenen Quellen, Aussageformen und Medien macht die unterschiedlichen gesellschaftlichen Repräsentationssysteme anschaulich. Rechtsprechung, Journalismus und Wissenschaft sind jene gesellschaftlichen Institutionen, denen eine besondere Funktion in der Erfassung und Erschließung von Realität zukommen. Ihre Aufgaben sind die „Ermittlung“, Vermittlung und Produktion von Wahrheiten. Auf sie zu verweisen hat in dokumentarischen Kunstpraktiken mehrere Funktionen: Einerseits wird die künstlerische Aussage damit als eine authentische legitimiert, sie wird von vermeintlich verlässlichen Quellen gestützt und klar als nichtfiktiv ausgewiesen. Andererseits wird die Aufmerksamkeit auf die Form dieser Aussagen gelenkt. Durch die Verschiebung in den Kunstkontext – in dem Formales im Vordergrund steht und reflektiert wird – verändert sich der Blick auf aus anderen gesellschaftlichen Bereichen bekannte Formate. Wenn Moira Zoitl in der Publikation ‘chat(t)er gardens’ ein von ihr geschriebenes Videoskript in direkter Folge auf die Abschrift von Nachrichten der BBC stellt, dann wird der Fokus auf die Vermittlungsform der Berichterstattung gelenkt. Erscheint der Text der BBC als „reine“ Aufzählung der Fakten, so rückt das Videoskript mit seinen genauen Angaben zu Bildausschnitt, Blickwinkel etc. die Aufmerksamkeit auf die Gestaltung und „Gestaltetheit“ von Informationen. Diese Aufmerksamkeit wirkt auf den Text der BBC zurück. Liest man am Ende des Abdrucks des Videoskriptes, dass es sich um die Bearbeitung der Vorlage von Nicole Constable ‘Maid to Order in Hong Kong’ (-3-) handelt, einer sozialwissenschaftlichen Studie, dann wird der Prozess der (permanenten) Überformung von Informationen deutlich.
Die symbolische Ebene des Sozialen
Die Künstlerin dokumentiert sowohl Aktionen philippinischer Migrantinnen im öffentlichen Raum, die gezielt künstlerische Mittel und Verfahren einsetzen, als auch deren alltägliche Verrichtungen. In ihren dokumentarischen Darstellungen schält sie die symbolische Ebene dieser sozialen Handlungen heraus. Besonders eindrücklich ist das am Foto „Exchange Square“ zu sehen. Es zeigt philippinische Frauen mit Decken, Schirmen und Essen am Rande eines Fußgängerüberganges sitzend. Einige Passanten gehen vorbei, im Hintergrund sind zwei Uniformierte zu sehen. Über dieser Szenerie – in der Mitte der Fotografie – prangt eine Aufschrift auf der Wand eines Gebäudes, die diesen Platz als „Exchange Square“ bezeichnet. Diese innerbildliche Ortsbezeichnung „überschreibt“ gleichzeitig das Geschehen. Philippinische Hausangestellte treffen sich an diesem öffentlichen Ort, richten sich einigermaßen gemütlich ein, um ihre Freizeit gemeinsam zu verbringen. Der Arbeitsplatz der Hausangestellten ist im Bereich des Privaten angesiedelt, für die Öffentlichkeit bleiben sie unsichtbar in den Privaträumen der chinesischen Mehrheitsgesellschaft. Auch dort ist es ihre Aufgabe, ihre Arbeit möglichst unbemerkt zu verrichten, Hausarbeit soll wie von selbst geschehen, sie soll die in diesem Haushalt Lebenden entlasten, also möglichst wenig präsent sein. Wenn diese Hausangestellten ihren freien Tag gemeinsam an öffentlichen Plätzen in Central Hongkong verbringen, treten sie massenweise in der Öffentlichkeit auf, nehmen Raum ein, „besetzen“ diesen. Es kommt zu einem Austausch/Exchange auf mehreren Ebenen: Der öffentliche Raum wird zu einem Ort privater Tätigkeiten umfunktioniert. Die schichtspezifische Nutzung von Stadtraum wird umgekehrt. Die bevorzugten Treffpunkte der philippinischen Arbeitsmigrantinnen sind in Central Hongkong, im Finanzdistrikt, die unter der Woche von gut verdienenden und sozial angesehenen Geschäftsleuten und Bankangestellten frequentiert werden. Sonntags werden sie hingegen von denjenigen bevölkert, die in der sozialen Hierarchie weit unten stehen, die beständigen Repressionen ihrer ArbeitgeberInnen ausgesetzt sind und in ihren Mindestrechten beschnitten werden. Der Ort, an dem über Arbeit soziales Prestige errungen wird, wird einmal pro Woche zu einem Ort, an dem die durch ihre Arbeit (und Herkunft) sozial Ausgeschlossenen in die Öffentlichkeit treten. Dieser Austausch der sozialen Nutzung des Raumes hat seine Ursache in der prekären räumlichen Situation der Hausangestellten, die keinen eigenen Privatraum zugestanden bekommen und so die sonntags öffentlich zugängliche Plätze aufsuchen. Damit bekommt diese Form der Reaktion auf die menschenunwürdige Raumsituation der Hausangestellten den Aspekt der aktiven Einnahme und Umdeutung von Raum.
Aber nicht nur die Funktionen des Raumes werden ausgetauscht, „Austausch“ wird selbst zur Funktion dieses Raumes. Die Frauen haben unter der Woche kaum die Möglichkeit zu kommunizieren. An diesem Ort können sie einmal pro Woche zusammen kommen und ungestört miteinander sprechen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Informationen können weitergegeben werden und soziale und emotionale Unterstützung können geleistet und erfahren werden. Diese Funktionen des Zusammenkommens sind eine wichtige Voraussetzung für politisches Handeln und Selbstorganisation.
„Exchange“ bedeutet auch „wert sein“ im Sinne von Tauschwerten, genauso wie es den Wechsel von unterschiedlichen Währungen bezeichnet. In Zusammenhang mit Arbeitsmigration macht dieses Wort die engen Verbindungen von Geldökonomie, Währungsgefälle und globaler Arbeitsteilung deutlich: Arbeitskraft ist einer Währung vergleichbar, die in jedem Land, in jeder nationalen Ökonomie unterschiedlichen Wert hat und deren internationaler Austausch Gewinne bringt. Im Ausland arbeitende PhilippinerInnen leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur philippinischen Wirtschaft. Der hier bezeichnete „Exchange Square“ in Hongkong ist ein Ort der Finanz und eine zentrale Umsteigestelle für öffentliche Verkehrsmittel. In seinem Namen klingen sämtliche Bedeutungen dieses Wortes an: umsteigen, austauschen, Geld wechseln. Das Zusammenkommen philippinischer Einwanderinnen an ausgerechnet diesem Platz hat eine enorme symbolische Aussagekraft: Im Namen des Platzes verbindet sich der Austausch von Geldwerten mit der Mobilität von Menschen. Diese Verbindung kennzeichnet das Schicksal von ArbeitsmigrantInnen, die mit der „Besetzung“ dieses Ortes seine soziale Nutzung und Kennzeichnung austauschen.
In der Fotografie von Moira Zoitl wird diese symbolische Ebene der sozialen Handlungen in ästhetische Strukturen umgesetzt. Der Schriftzug im Bild ist sowohl als Benennung dieses Platzes, als auch als Beschreibung des Vorganges an diesem Ort und als Titel des Bildes lesbar. Er führt in die Bildkomposition eine Reihe von Bedeutungsebenen ein, die sich in anderer Form auch aus dem Zusammenhang dieser einzelnen Fotografie im gesamten Projekt Chat(t)er Gardens erschließen.
In dem Video HSBC Bank Building (2007; 3 min., 14 sec.) werden durch die formale Gestaltung soziale Strukturen und Analogien evident. Moira Zoitl dokumentiert in diesem Video die sonntägliche Freizeit der ArbeitsmigrantInnen im öffentlichen Raum sowie die unterschiedlichen Arten, sich darin einzurichten. Es gibt keinen erklärenden Text oder Kommentar, sodass die Bilder für sich stehen. Diese verdeutlichen die strukturelle Ähnlichkeit mit Obdachlosigkeit: Bilder von Menschen, die öffentlich am Boden liegen und schlafen, am Straßenrand sitzend essen und viele Taschen und Koffer bei sich haben, erinnern an Bilder der Elendsfotografie und aus Sozialreportagen über Obdachlose. Durch die Architektur und die lebhaften Gespräche der Sitzenden fühlt man sich aber auch an Bilder von bestreikten Flughäfen erinnert. Menschen mit Taschen und Gepäck, die in Gruppen zusammen sitzen und keiner offensichtlichen Beschäftigung nachgehen, ähneln Durchreisenden, die keinen eigenen Aufenthaltsort haben. Erst die Abschlussszene des Videos bricht diese vertrauten Bilder und macht den spezifischen Kontext deutlich. Eine der sitzenden Frauen steht auf, nimmt ein Mikrophon in die Hand und beginnt zu singen. Die in der Umgebung Sitzenden hören zu und applaudieren. Es wird eine Art Gemeinschaft deutlich, ein Verständigungszusammenhang und die triste Situation bekommt etwas Fröhliches.
Räumliche Erfahrung
Das Projekt wurde und wird von Moira Zoitl in Kunstinstitutionen als Installation präsentiert. In der jüngsten Ausstellung ‘Moira Zoitl und Ricarda Denzer’ (-4-) bearbeitet die Künstlerin das komplexe Verhältnis von öffentlichem und privatem Raum für migrantische Hausangestellte, indem sie den Ausstellungsraum auf der einen Seite wie den Stadtraum von Hongkong strukturiert und auf der anderen Seite durch Holzwände den Ausmaßen der Kammer der Hausangestellten Maria Theresa Hamto entsprechend eingegrenzt. Moira Zoitl nimmt also eine Aufteilung in öffentliche und private Sphäre vor, zeigt aber gleichzeitig auch deren wechselseitige Durchdringung. In ersterem Teil symbolisieren graue Stelen die Hochhausarchitektur der Stadt und bestimmen die Aufstellung der Videomonitore. Deren Anordnung entspricht der räumlichen Verteilung der Aktivitäten der philippinischen Community im Stadtraum von Hongkong. Die Stelen dienen als Projektionsflächen im übertragenen wie im wörtlichen Sinn: einerseits wird das Video Statue Square, Taking Pictures, Bring back HK$ 3.670! Snake Rally auf eine davon projiziert – dieses Video dokumentiert die Aktivitäten der ArbeitsmigrantInnen am Statue Square. Andererseits sind Glasplatten mit aufgedruckten Logos berühmter Mode-Labels und Designer angelehnt. Die Belegung der Gebäude durch schicke Geschäfte wird dadurch gekennzeichnet, aber gleichzeitig als temporäre Auf- bzw. Zuschreibung erkenntlich. Jene Monitore, die MigrantInnen im öffentlichen Raum zeigen, sind bodennah vor diesen Stelen angebracht und bezeichnen damit die räumliche Position dieser Menschen im Raumgefüge von Hongkong. Gleichzeitig müssen dadurch die BetrachterInnen eine ähnliche Haltung einnehmen wie die in den Videos dokumentierten MigrantInnen. Städtisches Raumgefüge wird also in den Ausstellungsraum übersetzt und wird zum Display der Informationen, das die Wahrnehmung strukturiert.
Auf der anderen Seite des Ausstellungsraumes befindet sich eine Installation, die unter dem Namen ‘Theresa’s Room’ bzw. ’street actions’ (-5-) bereits in früheren Ausstellungen zu sehen war. Hier stellt Moira Zoitl unterschiedliche Dokumentationsformen (Videos, Newsletter) in einem Raum zusammen, der ein exakter Nachbau des Zimmers der Hausangestellten Maria Theresa Hamto ist. Die BetrachterInnen müssen diesen Raum betreten, um die Objekte sehen zu können. Sie erleben die Enge des Zimmers und haben die Möglichkeit, den Aufenthalt darin nachzuvollziehen. Die Ebene der reinen Anschauung der Dokumentationen wird um die Ebene der körperlichen Erfahrung ergänzt. Damit wird eine andere Wahrnehmungsform der BetrachterInnen angesprochen. Gleichzeitig werden die einzelnen Darstellungen in einen Zusammenhang gestellt, der die Einzelteile zu einem Gesamteindruck überformt. So wird der Raum in der Variante Theresa’s Room durch die beiden Video-Porträts als der Maria Theresa Hamtos ausgewiesen und ihr Schicksal und ihre Aktivitäten durch den Newsletter mit der allgemeineren gesellschaftlichen Situation in Bezug gesetzt. Die Durchdringung des Privaten durch das Öffentliche bzw. die Gesellschaft wird evident.
In der Installation wird ein (symbolischer) Raum geschaffen, der die Wahrnehmung der dokumentarischen Formate bestimmt. „Installationen sind nicht nur Gegenstand der Betrachtung, in ihnen reflektiert sich zugleich die ästhetische Praxis der Betrachtung.“(-6-) Raum als zentrale Erfahrung migrantischer Hausangestellter und als Angelpunkt sozialer Aktionen wird von Moira Zoitl einerseits abgebildet und andererseits zum Organisationsprinzip in der Präsentation ihres Projektes. Sotirios Bahtsetzis schreibt über Installationskunst: „Raumgestaltung wird von der Idee diktiert, dem Betrachter seine Bewegung und seine Sichtperspektiven selbst so weit wie möglich vorzuschreiben“(-7-). Die BetrachterInnen erfahren also am eigenen Leib wie Machtverhältnisse über Raumgestaltung und -erfahrung ausgedrückt und festgeschrieben werden. Im Fall der Installation street actions bzw. Theresa’s Room ist der Raum der künstlerischen Installation allerdings in seiner Nutzung anders strukturiert als das Zimmer der Bediensteten. Für die Hausangestellte bedeutet er Lebensraum und Rückzugsfläche, während er für die BesucherInnen ein Ort der Betrachtung und Reflexion ist. Sie betreten ihn relativ kurz und können ihn jederzeit verlassen. Im Nachbau des Zimmers in der Installation wird der Privatraum zum öffentlichen Raum, der sich mit der Bereitstellung von Informationen an ein kunstinteressiertes Publikum wendet. Moira Zoitl thematisiert damit das komplexe Verhältnis von privatem und öffentlichem Raum im Lebenszusammenhang von Hausangestellten und die vielfältigen Verschiebungsformen. Sind die Hausangestellten gezwungen, Privates in die Öffentlichkeit zu verlagern, führt die Künstlerin eine bestimmte Form von (Teil-)Öffentlichkeit in den Privatraum. Sie vollzieht damit die umgekehrte Bewegung zu den Aneignungsformen von öffentlichem Raum der migrantischen Hausangestellten.
Der Installationsraum in Theresa’s Room ist als konkreter Privatraum einer Hausangestellten nicht nur durch seine Ausmaße ausgewiesen, sondern auch durch ein Bett, das an derselben Stelle angebracht ist, wie im Originalzimmer, und ein entsprechendes Fenster. Die räumlichen Verhältnisse einer philippinischen Hausangestellten in Hongkong werden einerseits übertragen und andererseits künstlerisch überformt. Auf das Betttuch hat die Künstlerin für die in den Ausstellungen Arbeit* (2005) und Moira Zoitl und Ricarda Denzer (2007) gezeigten Version Verhaltensregeln gestickt, die den Hausangestellten von ihren ArbeitgeberInnen schriftlich gegeben werden. Sie hat aus der Fülle von Anweisungen diejenigen ausgewählt, die besonders stark in die persönliche Sphäre der Arbeiterin eingreifen, wie beispielsweise das Verbot, Make up zu tragen oder die Vorschrift, täglich vor dem Zubettgehen zu baden. Mit dem Einsticken der Regeln in das Betttuch vermittelt Moira Zoitl das Eindringen in die persönlichsten Bereiche der Untergebenen – wie die Nadel das Gewebe des Stoffes durchdringt, so durchdringen die Vorschriften die persönlichsten Bereiche des Alltags der Frauen. Für die Version der Installation, die in der Ausstellung ongoing. feminism & activism 2005 präsentiert wurde, stickte Moira Zoitl eine grafische Darstellung der Anzahl in anderen Ländern arbeitender PhilippinerInnen und der Höhe ihrer Geldrücksendungen. Die Künstlerin thematisiert damit den engen Zusammenhang dieser abstrakten statistischen Zahlen mit dem Leben einzelner. Ökonomische Daten und statistische Größen schreiben sich in individuelle Lebensabläufe ein, bestimmen auch die privaten Bereiche. Mit der Technik des Stickens greift Moira Zoitl eine Ausdrucksform auf, die einerseits mit Repräsentation und andererseits mit Häuslichkeit verbunden wird. Textilien zu besticken macht diese kostbarer und zeichnet sie als Darstellungsfläche aus. Haushaltsgegenstände zu besticken hebt ihre Bedeutung hervor bzw. wird ihnen eine weitere spezifische hinzugefügt. Durch diese Gestaltung werden sie individuell, das persönliche Besitzverhältnis wird ausgedrückt. Wenn Moira Zoitl die Maßregelungen für Hausangestellte auf ein Betttuch stickt, dann wird das Ausmaß deutlich, in dem die ArbeitgeberInnen in die Gestaltung des Privaten und Eigenen eingreifen.
Die Stickerei ist in der Technik und im Stil österreichischer und süddeutscher Textilarbeiten ausgeführt, die stark an – im ländlichen Raum noch weit verbreitete –Wandbehänge und Polsterbezüge mit eingestickten Sprüchen und Lebensweisheiten erinnern. Die Künstlerin imitiert weder chinesische noch philippinische Arten der Textilgestaltung (-8-), sondern verwendet ihr vertraute Techniken, stellt einen Bezug zu ihrem eigenen kulturellen Kontext und dem der BetrachterInnen her. Kein Eindruck von Exotik erleichtert die Distanzierung für die BetrachterInnen.
Look who’s talking
Den hegemonialen Blick einer „westeuropäischen“ Künstlerin auf die Verhältnisse in postkolonialen Staaten bricht Moira Zoitl auf, indem sie mit lokalen Künstlerinnen und Aktivistinnen zusammenarbeitet. Erstmals stellte sie 2004 einen Teil des Künstlerinserts der Zeitschrift UmBau (-9-) der in Hongkong lebenden philippinischen Fotografin und Aktivistin Corazon Amaya-Canete zur Verfügung. In den Ausstellungen ongoing. feminism & activism (-10-) und REALITÄTEN I: Machtfaktor Wirtschaft (-11-) präsentierte Moira Zoitl neben ihren eigenen Arbeiten auch Fotografien von Corazon Amaya-Canete. Der zweite Newsletter, der im Rahmen des Projektes Chat(t)er Gardens 2006 erschien, besteht ausschließlich aus Fotografien der philippinischen Fotografin und einem Text von Edwina Antonio-Santoyo, der Leiterin des Bethune House Migrant Women’s Refuge. Der Newsletter ist eine Selbstdarstellung dieses Frauenhauses und seiner Aktivitäten. Moira Zoitl beschränkt sich dabei auf die grafische Gestaltung und die Bereitstellung der Ressourcen für Druck und Vertrieb. Statt selbst zu dokumentieren stellt sie den Betroffenen ein Medium zur Präsentation ihrer Arbeit und Situation zur Verfügung. In dem gesamten Projekt Chat(t)er Gardens wird also dem Blick der Künstlerin die Selbstdarstellung der Thematisierten beigestellt. Der Blick von „außen“ auf die komplexe Beziehungsstruktur südostasiatischer Arbeitsverhältnisse, den eine westeuropäische Künstlerin zwangsläufig einnimmt, ist immer schon von post- und neokolonialen Verhältnissen und Strukturen geprägt. Selbst dieser Newsletter, der das gängige Konzept des „featuring“ verwendet und dem Bethune House vor Ort zur Selbstpräsentation und zum Fundraising dient, kann nicht losgelöst von den Mechanismen und hierarchischen Strukturen globaler Arbeitsteilung betrachtet werden. Die Produktion – von Text und Bildern – geschieht in Südostasien, während die Dienstleistung – Organisation der Gelder und Ressourcen, Koordinierung etc. – in Westeuropa erbracht wird. Dieser Fortschreibung klassischer Ressourcen- und Arbeitsaufteilung setzt Moira Zoitl die Rückkopplung an den lokalen Kontext entgegen. Die philippinischen Aktivistinnen bekommen nicht nur eine Möglichkeit zur Präsentation ihrer Arbeit im europäischen Kunstkontext, sondern auch ein Mittel zur Arbeit vor Ort, das sie nach ihren Bedürfnissen gestalten und einsetzen können. Selbstermächtigungsstrategien werden nicht nur abgebildet, sondern auch aktiv unterstützt bzw. ermöglicht.
Rückkoppelung als Element ihrer künstlerischen Arbeit setzt Moira Zoitl nicht nur in Bezug auf die Lebenswelt der „Betroffenen“ ein, sondern auch auf den Lebenszusammenhang der BetrachterInnen und den Kunstbetrieb. In der Arbeit cleaning dunkers, die im Rahmen von Chat(t)er Gardens für die Ausstellung The Bourgeois Show (-12) entstand, porträtierte die Künstlerin die aus den Philippinen stammende Reinigungsfrau der ausstellenden Kunstinstitution. In dem Video wird ihr Arbeitsalltag gezeigt, nämlich das Reinigen genau jenes Ortes, an dem sich die BetrachterInnen augenblicklich befinden. Die Kunstinstitution als Arbeitgeberin wird damit ebenso thematisiert wie die Lebensverhältnisse, die sie mit hervorbringt. Bzw. wird der Kulturbetrieb als Element und Nutznießer globaler Arbeitsteilung beleuchtet – abseits der offensichtlicheren Kunstmarktstrukturen. Ein Teil der Installation ist die bereits erwähnte Publikation Moira Zoitls mit den Recherchen zur Situation philippinischer Arbeitsmigrantinnen in Hongkong und London. Die BetrachterInnen können also die Situation in Schweden mit der in London und Hongkong vergleichen. Gleichzeitig wird dadurch die – die eigene Integrität versichernde – Distanz zu den ArbeitgeberInnen in Übersee reduziert. Die BesucherInnen werden als NutzerInnen dieses Kunstraumes auf ihre eigene Rolle innerhalb dieses Systems aufmerksam gemacht.
Ihr persönliches Verhältnis zu der Position der ArbeitgeberInnen thematisiert Moira Zoitl in der Ausstellung Moira Zoitl und Ricarda Denzer. Sie stellt an den Beginn der Präsentation ihrer Arbeiten einen Brief ihrer Großmutter, den diese im Alter von sieben Jahren geschrieben hatte. In diesem wünscht sich die Siebenjährige für ihre Zukunft, ein Hausmädchen und ein Kindermädchen zu haben. Damit spannt die Künstlerin einerseits einen historischen Bogen und beleuchtet andererseits die Situiertheit ihres Blickes. Die Betonung dieses Blickes bildet auch den Abschluss der Ausstellung und damit eine Klammer über die gesamte Präsentation. Am Ende steht ein Polaroid-Foto, das die Sicht aus dem Hotelfenster auf Hongkong zeigt. Die Künstlerin ist eine Fremde, eine Besucherin in Hongkong, aber eine, die in Hotels ihren temporären Raum findet.
In dem gesamten Projekt Chat(t)er Gardens werden unterschiedliche dokumentarische Aussageformen und Medien hinsichtlich der SprecherInnenpositionen reflektiert. Wer berichtet in welcher Form in welchem Wirkungsbereich? In der im Zuge der Ausstellung in Wolfsburg realisierten Publikation wird die Darstellung von Ausbeutung migrantischer Hausangestellter in der South China Morning Post, die sich auf den Arbeitgeber konzentriert, mit Artikeln zu Protestaktionen der Hausangestellten im Newsletter der MigrantInnenorganisation kontrastiert. Hier untersucht sie in einem eigenen Kapitel die unterschiedlichen Repräsentationsformen philippinischer Hausangestellter. Die persönlichen Geschichten der Frauen finden nur Platz in den wissenschaftlichen Texten – und in den von der Künstlerin gemachten Dokumentationen. In den anderen Formaten wird die Verdrängung der Hausangestellten als Personen und Individuen auf der Ebene der Repräsentation fortgeführt. Dabei wird in der Arbeit von Moira Zoitl klar, dass Sichtbarmachung marginalisierter Lebens- und Arbeitssituationen allein nicht genügt, sondern dass die Art und Weise der Darstellungen reflektiert werden muss. Die Art, wie Menschen ins Bild gesetzt werden, hängt wesentlich davon ab, wer mit welchen Interessen Bilder produziert, und in welchem Kontext sie eingesetzt werden. In dieser Publikation bildet die Künstlerin Fotos ab, auf denen die Frauen für die Kamera posieren: Einzel- oder Gruppenporträts an öffentlichen Orten in Hongkong, ähnlich touristischen Fotos. Sie sind so aufgenommen wie die Fotografien, welche die Philippinerinnen selbst von sich machen und nach Hause schicken. Damit übernimmt Moira Zoitl einerseits die Form der Fotografie, die die Thematisierten selbst verwenden (auf dem Foto Exchange Square und in dem Video Statue Square, Taking Pictures, Bring back HK$ 3.670! Snake Rally zu sehen), und überlässt ihnen andererseits die Bestimmung darüber, wie sie in den Bildern als Akteurinnen präsentiert werden. Gleichzeitig wird die Kamera als interagierendes, dokumentierendes Element bewusst. Weder Künstlerin noch BetrachterInnen können sich als unbeteiligte BeobachterInnen imaginieren, sondern werden direkt adressiert. Die Bildhaftigkeit wird durch das Posieren hervor gestrichen. Diese Fotografien stehen in einem starken Gegensatz zu den ebenfalls in dieser Publikation gezeigten Darstellungen der Philippinerinnen auf den Beschreibungsbögen bzw. Annoncen im Schaufenster einer Vermittlungsagentur für Hausangestellte. Hier werden die Frauen wie auf Passfotos abgebildet, mit uniformen Küchenschürzen, zusammen mit den aktenartigen, formelhaften Kurzbeschreibungen zu standardisierten Arbeitskräften.
„New Genre Documentary“
Die Kooperation mit lokalen Aktivistinnen erinnert an in den USA unter dem Titel „New Genre Public Art“(-13-) und im deutschsprachigen Raum unter „Kontextkunst“ bzw. „Kunst des Öffentlichen“(-14-) zusammengefasste partizipative Kunstpraktiken der 1990er Jahre. In diesen schließen sich KünstlerInnen mit VertreterInnen verschiedener Teilöffentlichkeiten und Interessensgruppen zusammen um an sozialen Problemen zu arbeiten. Mit Hilfe künstlerischer Kompetenzen und Methoden soll in zeitlich abgeschlossenen Prozessen in außerkünstlerischen gesellschaftlichen Kontexten interveniert werden. Moira Zoitls Kooperation mit einer bestimmten „community“ sowie die Bereitstellung von Ressourcen für soziale Zwecke, die im künstlerischen Kontext lukriert wurden (Newsletter), kann mit diesen Kunstformen verglichen werden. Der zentrale Unterschied liegt aber in der dokumentierenden Herangehensweise an Stelle der intervenierenden. Nicht ein sozialer Prozess steht im Zentrum der künstlerischen Arbeit, sondern die Repräsentation und bildliche Vermittlung sozialer Aktivitäten, auf welche die Künstlerin keinen Einfluss ausübt. Die Kooperationen mit philippinischen Aktivistinnen und der Künstlerin Corazon Amaya-Canete dienen nicht der Dokumentation eines von der Künstlerin entwickelten Projektes, sondern bereits bestehender und etablierter Hilfsprojekte bzw. Selbstorganisation. Die Form der Zusammenarbeit bezieht sich nicht auf Arbeitsprozesse, sondern auf die Ermöglichung einer anderen Form von Dokumentation: Eine Dokumentation, die sich nicht nur auf den Blick der Künstlerin auf einen Sachverhalt und auf die Vermittlung ihrer Rechercheergebnisse beschränkt, sondern die den Thematisierten selbst die Möglichkeit zur Gestaltung ihrer (Re-)Präsentation gibt. Man könnte also von einer Form der Dokumentation sprechen, die an partizipativen Kunstpraktiken, wie sie in den 1990er Jahren realisiert und theoretisiert wurden, geschult ist, aber viele der oftmals kritisierten Elemente und Strukturen nicht wiederholt. Es ist zwar nur schwer möglich, generalisierend von den sehr unterschiedlichen Ansätzen und Arbeitsweisen der partizipativen Kunstpraktiken der 1990er Jahre zu sprechen, dennoch lässt sich häufig eine Struktur erkennen, in deren Zentrum eine Künstlerfigur steht, die ein soziales Problem aufgreift, einen Interventionsplan erstellt, damit an eine bestimmte Teilöffentlichkeit herantritt und zur Beteiligung einlädt. (-15-) Dabei kommt es oft zu einem Macht- und Kompetenzgefälle zwischen den KünstlerInnen als „ProjektleiterInnen“ und den beteiligten „Betroffenen“, was nicht selten zu paternalistischen Hilfsgesten führt. Bei der Zusammenarbeit von Moira Zoitl mit der philippinischen Fotografin Corazon Amaya-Canete handelt es sich hingegen um einen Austausch unter Kolleginnen, unter Künstlerinnen mit gleichen Interessen. Beide beschäftigen sich mit der Dokumentation der gleichen sozialen Situation bzw. Bewegung. Die Zusammenarbeit ist nicht von einer Konstruktion von Alteritäten, sondern von einer Ergänzung von Gemeinsamkeiten geprägt.
Wenn Moira Zoitl die Performances und Straßenaktionen philippinischer Aktivistinnen filmt, dann ist nicht die Künstlerin die Initiatorin und Koordinatorin – also die zentrale Figur mit ökonomischer und symbolischer Macht – sondern die betroffenen Frauen bedienen sich aus eigenem Antrieb künstlerischer Mittel zur sozialen Intervention. Moira Zoitl übersetzt in ihrer Dokumentation diese performativen künstlerischen Äußerungen in Bilder – im weitesten Sinn. Dadurch bekommen die ephemeren Aktionen Objektcharakter und werden aus einem politischen in einen künstlerischen Kontext verschoben, bzw. wird der Effekt der Straßenaktionen verdoppelt: neben der Intervention im öffentlichen Raum von Hongkong erreichen die Bilder davon ein räumlich und zeitlich entferntes Publikum im westeuropäischen Kunstkontext.
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-1- Obwohl sich Moira Zoitls Projekt auf die Situation migrantischer Frauen konzentriert und männliche Arbeitsmigranten kaum unter den Hausangestellten zu finden sind, so gibt es doch Männer, die sich in vergleichbaren Situationen befinden, deren Lebensbereich damit in Zusammenhang steht oder die gemeinsam mit den Frauen in der Öffentlichkeit auftreten. Ich verwende hier und in weiterer Folge die Bezeichnung „ArbeitsmigrantInnen“ wenn von gemischtgeschlechtlichen Gruppen die Rede ist oder mir die Beteiligung von Männern bekannt ist.
-2- Gespräch mit der Künstlerin am 20.2.2007.
-3- Constable, Nicole: Made to Order in Hong Kong. New York, 1997. S. 181
-4- Kunsthalle Exnergasse, Wien 7.6. bis 7.7. 2007
-5- Es handelt sich hierbei um zwei weitgehend idente Installationen, die sich durch ein Video unterscheiden. Während in street actions die Videos BABAE/WOMEN und Next to the Prada Store gezeigt wurden, waren in Theresa’s Room BABAE/WOMEN und Maria Theresa Hamto at work zu sehen. Die Installation street actions war Teil der Ausstellungen Eigene Orte/Appropriated Spaces im Kunstverein Wolfsburg, 2003; ongoing. Feminism &activism in der Galerie 5020 Salzburg, 2005; Arbeit in der Galerie im Taxispalais Innsbruck, 2005 (die in weiterer Folge auch in der Lewis Glucksman Gallery, University College, Cork, Irland und in der OBG Ormeau Bath Gallery, Belfast, Northern, Irland zu sehen war). Die Variante Theresa’s Room wurde in der Ausstellung Moira Zoitl und Ricarda Denzer in der Kunsthalle Exnergasse, Wien, 2007 gezeigt.
-6- Rebentisch, Juliane: Die Ästhetik der Installation. Frankfurt am Main, 2003. S. 16
-7- Bahtsetzis, Sotirios: Geschichte der Installation. Situative Erfahrungsgestaltung in der Kunst der Moderne. 2005. S. 16. http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=980868491&dok_var=d1&dok_ext=p... 1.3.2007
-8- Sticken als Form textiler Gestaltung hat in China eine lange Tradition und wird bis heute praktiziert. Dabei werden aber andere Techniken verwendet und kein Text gestickt. Siehe dazu Masterworks of Contemporary Chinese Art. Beijing, 2000. Zur Tradition und den sozialen Faktoren siehe Osborne, Harold (Hrsg.): The Oxford Companion to the Decorative Arts. Oxford, 1975.
Ich danke Miu Lan Law für ihre stilistische Einschätzung und Informationen.
-9- Österreichische Gesellschaft für Architektur (Hrsg.): UmBau. Heft Nr. 21. Wien, 2004
-10- ongoing. feminism & activism. Ein Projekt zur Aktualität feministischer Kunstpraxen, Galerie 5020 Salzburg, 2005
-11- Fotogalerie Wien, 2005
-12- Dunkers Kulturhus, Helsingborg, 2003.
-13- Siehe dazu Lacy, Suzanne (Hrsg.): Mapping the Terrain: New Genre Public Art. Seattle, 1995.
-14- Ich greife hier nur die am häufigsten verwendeten der vielen Bezeichnungen heraus. Siehe dazu Babias, Marius und Könneke, (Achim Hrsg.): Die Kunst des Öffentlichen. Projekte/Ideen/Stadtplanungsprozesse im politischen/sozialen/öffentlichen Raum. Dresden, 1998. Bzw. Rollig, Stella und Sturm, Eva (Hrsg.): Dürfen die das? Kunst als sozialer Raum. Wien, 2002
-15- Siehe dazu Kravagna, Christian: „Arbeit an der Gemeinschaft. Modelle partizipatorischer Praxis“. In: Babias, Marius; Könneke, Achim (Hrsg.): Die Kunst des Öffentlichen. Projekte/Ideen/Stadtplanungsprozesse im politischen/sozialen/öffentlichen Raum. Dresden, 1998. S. 28-46.